Station 4 – Tradition im Wandel

Traditionen verändern sich, passen sich an neue Zeiten und Bedürfnisse an. Sie verbinden Vergangenheit und Gegenwart.

Das Filzen gehört vermutlich zu den ältesten Techniken der Textilverarbeitung. Leider verrottet Wolle so schnell, dass es kaum archäologische Funde gibt. Den ältesten Fund in Sibirien datieren Wissenschaftler auf 600 bis 200 vor Christus.

allesmacherei


FILZERIN: Ursula Zwahlen – allesmacherei.ch


Designgut:
Wie interpretierst du Tradition im Filzen in deinen Arbeiten, und wie passt du sie an die moderne Zeit an?

Ursula Zwahlen:
In meinen Arbeiten betrachte ich die Tradition des Filzens als einen dynamischen Prozess. Die grundlegenden Techniken – Wolle auslegen, mit Seifenwasser behandeln und walken – bilden die Basis meines Schaffens. Während früher vorwiegend grobe Hausschuhe und Hüte in gedeckten Farben hergestellt wurden, nutze ich heute feinere Wolle, die angenehm zu tragen ist. Schals und Kleidungsstücke aus Materialien wie Merinowolle und Seide bieten eine neue Dimension der Weichheit. Zudem experimentiere ich mit einer breiten Farbpalette, die es mir ermöglicht, lebendige und moderne Designs zu kreieren. Indem ich Tradition und Innovation miteinander verbinde, schaffe ich Stücke, die sowohl das Erbe des Handwerks ehren als auch aktuellen Trends gerecht werden.

Designgut:
- Welche traditionellen Filzelemente hast du bewusst verändert oder neu interpretiert, um sie zeitgemäß zu machen?

Ursula Zwahlen:
In meinen Arbeiten habe ich traditionelle Filzelemente gezielt verändert, um sie an die heutigen Ansprüche anzupassen. Ich arbeite bevorzugt mit Merinovorfilz, den ich zerlege und neu zusammensetze, was mir ermöglicht, individuelle Kreationen zu entwickeln. Zudem integriere ich viel Seide, um eine optimale Feinheit und angenehme Haptik zu erreichen. Ein weiteres spannendes Element ist die Kombination von Chiffonseide und verschiedenen Stoffarten mit Wolle. Diese Mischung eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten und verleiht meinen Arbeiten eine moderne Leichtigkeit. So schaffe ich zeitgemäße Filzstücke, die Tradition und Innovation harmonisch verbinden.


Designgut:
traditionelle Filztechniken oder -praktiken, die deiner Meinung nach aussterben könnten, und wie könnten sie neu belebt werden

Ursula Zwahlen:
Einige traditionelle Filztechniken sind sehr zeitaufwendig und erfordern erheblichen Körpereinsatz, was sie weniger attraktiv für neue Generationen von Handwerkern macht. Ich sehe insbesondere die manuellen Techniken, die viel Geduld und physische Kraft benötigen, gefährdet. Um diese Traditionen neu zu beleben, könnte man moderne Werkzeuge wie Oszilationsschleifmaschinen in den Filzprozess integrieren. Diese Maschinen ermöglichen ein zügiges Arbeiten und sparen Zeit, was es einfacher macht, qualitativ hochwertige Produkte zu attraktiven Preisen anzubieten. Zusätzlich könnten Workshops und Kurse angeboten werden, die eine Mischung aus traditionellen Methoden und modernen Techniken vermitteln. Dadurch könnten mehr Menschen für das Filzen begeistert werden, während gleichzeitig das Handwerk bewahrt bleibt. So wird eine Brücke zwischen traditionellem Wissen und zeitgemäßen Anforderungen geschlagen.